Zu Gast - Gespräch mit Jesuitenpater Werner Holter und Moderator Harald Schmidt im Wohnzimmer der Mannheimer Ordensgemeinschaft / Am 6. Oktober öffentlicher Dialog in der Jesuitenkirche

Das Evangelium mit „Schmackes und Humor“

Von 
Angela Boll
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Beraten über eine Marketing-Strategie für die Kirche (v.l.): Harald Schmidt und Jesuitenpater Werner Holter im Gespräch mit „MM“-Reporterin Angela Boll. © Blüthner

Harald Schmidt – Entertainer, Moderator, Schauspieler. Das Publikum kennt ihn vom Fernsehen und vom Theater, die Fans lieben seine Monologe, den Witz, die Schärfe. Am verregneten Freitagmittag in Mannheim hat Schmidt eine andere Rolle angenommen. Mit dezenter Konstanz überlässt er an diesem Tag Jesuitenpater Werner Holter die Bühne. Seinem Bekanntem, dem er vor zehn Jahren in der Kölner Gemeinde Sankt Peter zum ersten Mal begegnete. Immer einen Schritt hinter dem Geistlichen zieht Schmidt sein Rollköfferchen durch die Stadt, landet schließlich im Wohnzimmer der Jesuitengemeinschaft in D 6 im gemütlichen Achtziger-Jahre-Sessel.

Die anstehende Kommunion von einem seiner Kinder habe ihn zu Pater Holter geführt, erzählt Schmidt. Er habe dringend auf den Unterricht bei verkorksten Persönlichkeiten, die sich an Selbstgebastelten ereifern, verzichten wollen, sagt der Wahlkölner und entdeckte in Pater Holter die Alternative. Schmidt habe, so erzählt er, eine „stramme katholische Laufbahn“ hinter sich und sei von diesem Weg auch nie abgekommen. Regelmäßige Gottesdienstbesuche und der Antritt als katholischer Pfadfinder prägten seine Kindheit, nur Ministrant sei er nie gewesen „ich wurde gleich Organist“, erzählt er: „Eine Stufe höher“. Augenzwinkern, Siegermiene.

Holter dagegen diente dem Pfarrer in seiner Jugend gern, strebte dann zunächst etwas Bodenständiges an. Er lernte Kaufmann und wurde 1977 mit knapp 30 Jahren vom späteren Papst Benedikt zum Priester geweiht. Um die Ausbildung bei den Jesuiten beneidet Schmidt seinen Bekannten: „Das jesuitische Prinzip fasziniert mich. Alle mit einer solchen Ausbildung, die ich kenne, sind Schlitzohren, solche, die es drauf haben.“ CDU-Politiker Heiner Geißler nennt er als Beispiel, schiebt mit einem milden Lächeln den Namen Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, hinterher.

Früher den Pfarrer gespielt

Eigentlich, so bestätigt Schmidt, habe er Priester werden wollen. Mit Badetuch über der Schulter und Opladen in der Hand spielte er als Kind zu Hause den Pfarrer und stillte so seine Bühnen-Sehnsucht: „Heute weiß ich die Erfahrungen in der Gemeinde waren die Basis für meinen Beruf.“ Er habe auf Festen den Dekan parodiert und sei immer ein gefragter Unterhalter gewesen.

Großes Kino vollbrachte Schmidt später allerdings ohne Altarraum. Trotzdem blieb die Sehnsucht nach Kirche, die Beständigkeit im Glauben. Heute sucht der große Unterhalter den Rückzug, um mit Gott in den Dialog zu treten. Zum Beten, so erzählt Schmidt, setze er sich gern in eine leere Kirche oder er besuche Gottesdienste in aber auch außerhalb von Deutschland, beispielsweise bei den Dreharbeiten zum „Traumschiff“. Auf die Frage nach einem Lieblingsgebet nennt er wie selbstverständlich das „Vater unser“. Auch Pater Holter holt sich Kraft aus der Stille. „Ich bete am liebsten abends in meinem Zimmer, ganz in Ruhe.“ Nähe zu Gott finde er zudem in der Messe und dort spüre er auch das Bedürfnis der Menschen nach Stabilität. „Die Liturgie erfasst alle. Das ist sehr intensiv, sehr besonders.“ Dennoch sind die Reihen oft leer. Dieses Misstrauen der Kirche gegenüber – „das tut weh“, sagt Holter. „An Gott zu glauben ist nicht plausibel, vielleicht bräuchte man heute eine andere Erklärung als früher“, sucht er nach Ansätzen. Solche Überlegungen, so wünscht er sich, sollten formuliert werden, wenn Harald Schmidt am Sonntag, 6. Oktober, in die Jesuitenkirche kommt. Unter dem Stichwort „Dialog-Predigt“ möchte Holter Menschen ins Gotteshaus holen und sie neugierig machen. „Eine Art Marketing-Veranstaltung“, so stellt er es sich vor: „Das Evangelium mit Schmackes und Humor zum Verschlingen anbieten“, sagt er und malt den Slogan mit einer Handbewegung in die Luft, „Jesus kontra geben“, auch dieser Titel gefällt ihm. „Schließlich müssen wir nicht alles annehmen, was uns als das Wort Gottes serviert wird.“

Harald Schmidt hört gelassen zu und knabbert „Mannemer Dreck“. Es dauert fast zwei Stunden, bis er plötzlich doch den Platz der Rampensau für sich pachtet. Er erzählt von seiner Zugfahrt nach Mannheim, den Dialogen, die er miterleben durfte. Gestenreich spielt die Szenen nach, parodiert Rudolf, den Mann, der ihm gegenübersaß. Damit er solche Szenen irgendwann wieder auspacken könne, notiere er so etwas in seinem Buch, das er immer bei sich trägt, fügt er hinzu. Pater Holter hat die Szene mit Rudolf im ICE auch Minuten später noch bildlich vor sich, lacht Tränen. „Mit Rudolf fangen wir an“, schlägt er für den Predigt-Dialog vor. Sensationelle Marketing-Strategie . . .

Der Entertainer und der Geistliche

  • Harald Schmidt wurde am 18. August 1957 in Neu-Ulm geboren. Seine Eltern sind Heimatvertriebene, der Vater stammt aus Böhmen, die Mutter aus Mähren.
  • Schmidt wuchs in Nürtingen auf. Er war Pfadfinder, Kirchenmusiker und Organist. Heute lebt er mit seiner Familie in Köln.
  • Pater Werner Holter SJ ist 1946 geboren und trat 1970 in den Jesuitenorden ein. Er arbeitete lange als Schulseelsorger und Religionslehrer. Von 2008-2017 war er Pfarrer von Sankt Peter in Köln, in dieser Pfarrei lernte er Harald Schmidt kennen.
  • Seit 2017 ist er Mitarbeiter in der City-Seelsorge und im Josef-Bauer-Haus in Mannheim.
  • Am Sonntag, 6. Oktober, ab 18 Uhr werden Harald Schmidt und Pater Werner Holter SJ in der Jesuitenkirche in den Dialog über Gott und die Welt treten. Die Veranstaltung ist kostenlos. Am 26. Oktober liest Harald Schmidt im Speyerer Dom.

Redaktion Lokalredakteurin, Gerichtsreporterin, Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat"

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