Ludwigshafen. Die gebogene Nadel ist kürzer als der Durchmesser eines Fünf-Cent-Stücks, der Faden ist kaum dicker als ein menschliches Haar. Und trotzdem vernähen die jungen Mediziner in schnellen Stichen und Knoten routiniert dünnste Silkonschläuche und die Adern von Hühner-Herzen. Die Berufsgenossenschaftliche (BG) Klinik in Ludwigshafen Oggersheim hat ein neues Trainingszentrum eingerichtet, damit die Ärzte dort ihre Fertigkeiten in der Mikrochirurgie schulen und verbessern können.
Hunderte von Transplantationen
Das Vernähen kleinster Gefäße gehört in Oggersheim zum Klinik-Alltag. "Es gibt keinen Tag hier, an dem keine mikrochirurgischen Eingriffe stattfinden", erläutert Ulrich Kneser. Der Professor und Direktor der Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie zählt auf: rund 300 Gewebetransplantationen im Jahr, dazu 30 bis 35 Finger wieder anfügen, durchtrennte Gefäße in tiefen Schnittwunden wieder annähen. Die Menge der Fallzahlen hat die Mediziner zu ausgewiesenen Fachleuten werden lassen - und das nicht nur in der Region, sondern mittlerweile bundesweit.
Damit der Nachwuchs früh den sicheren Umgang mit der feinen OP-Nadel unterm Mikroskop lernt, hat die BG Klinik ihr Trainingszentrum eingerichtet. Zwei Mikroskope stehen bereit, die sowohl ein Assistenzarzt als auch ein erfahrener Kollege als Trainer benutzen. Ein großer Flachbildschirm an der Wand überträgt das Bild aus dem Mikroskop zusätzlich in HD-Qualität.
Zu Übungszwecken verwendet Assistenzarzt Arne Böcker zwei Hühner-Herzen, deren Gefäße er mit schnellen Pinzetten-Griffen vernäht. Auf der anderen Seite des Doppelmikroskops sitzt Oberarzt Christoph Hirche, gibt Hinweise und assistiert dem jungen Kollegen. Die Hühner-Herzen, die es in jeder Metzgerei zu kaufen gibt, verwenden die Mediziner, um auch an echtem Gewebe zu üben. Denn während etwa ein feiner Silikonschlauch als Ader-Ersatz wegen seiner Dehnbarkeit auch mal Fehler verzeiht, reißt echtes Gewebe viel schneller. "Einmal gezittert oder falsch gezogen - und schon ist das Gefäß kaputtgerissen", weiß Kneser.
An anderen Kliniken gibt's die mikrochirurgische Ausbildung erst für ausgebildete Fachärzte. In Ludwigshafen dürfen schon Assistenzärzte in den ersten zwei bis drei Jahren übungsweise unterm Mikroskop das Operieren trainieren. Bevor sie dann im fünften oder sechsten Ausbildungsjahr an die Patienten dürfen, müssen sie zunächst an den Hühner-Herzen üben. Rund 100 Stunden benötige der Nachwuchs hier im Schnitt, sagt Kneser. Ziel ist es, die Ärzte so vorzubereiten, dass der Einsatz im echten OP keine Unsicherheiten mehr erzeugt. "Unsere Patienten sind keine Übungsobjekte", macht der Professor unmissverständlich klar.
Nicht zuletzt durch das neue Trainingscenter ist die BG Klinik die größte plastisch-chirurgische Weiterbildungseinrichtung in ganz Deutschland - mit Strahlkraft bis ins Ausland. Das sorgt für eine hohe Attraktivität der Unfallklinik unter angehenden Medizinern. Erst vor kurzem waren vier Oberarztstellen neu zu besetzen. Durchweg kamen junge Ärzte aus eigenen Reihen zum Zug.
Die Kosten der neuen Schulungseinrichtung
- Die Basisausstattung des Mikrochirurgischen Trainingszentrums hat die BG Klinik rund 60 000 Euro gekostet.
- Den Löwenanteil davon hat die BASF über eine Spende in Höhe von 50 000 Euro finanziert.
- Für diese Fortbildungsmaßnahme in der Ludwigshafener BG Klinik bezahlen die Kostenträger keinen Euro.
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