Foto-Biennale - Arne Schmitt dokumentiert die Nachkriegsarchitektur in Ludwigshafen und den Einfluss der BASF

"Das Erbe ernst nehmen"

Von 
Annika Wind
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Blick auf die Dessauer Straße im Ludwigshafener Hemshof: Arne Schmitt hat die reizvolle Szenerie aufgenommen.

© Arne Schmitt

Seine Arbeit hat er "Der heiße Frieden" genannt, nach einem Film, den die BASF in der Nachkriegszeit in Auftrag gab. Das ist das Gegenteil von Kalter Krieg - und auch so gemeint. Denn Arne Schmitt hat sich auf Einladung der am 8. September beginnenden Biennale für aktuelle Fotografie mit der Expansion des Großkonzerns in die ganze Welt beschäftigt. Im Ludwigshafener Kunstverein bringt Schmitt BASF-Fotos der 1960er und 70er Jahre mit aktuellen Aufnahmen der Ludwigshafener Nachkriegsarchitektur zusammen. Im Gespräch mit dieser Zeitung geht es um Stadtutopien und ruinöse Hochstraßen.

Herr Schmitt, Ihre Fotos sind in einer Ausstellung zum Thema Migration zu sehen. Wie kamen Sie darauf, sich mit der BASF zu beschäftigen?

Arne Schmitt: Sie hat schon sehr früh das praktiziert, was man heute als globalisierte Wirtschaft bezeichnen würde: neue Firmen zu gründen, vorhandene Firmen aufzukaufen, Joint-Ventures einzugehen. All diese Auslandstätigkeiten wurden in Werkszeitungen dokumentiert - sie waren der Ausgangspunkt meiner Arbeit.

Auch so renommierte Künstler wie Robert Häusser haben damals für die BASF fotografiert. Spielt das in Ihrer Ausstellung eine Rolle?

Schmitt: Einige seiner Bilder sind in meiner Arbeit enthalten, aber oft kenne ich die Urheber nicht. Die BASF hat seine Fotos gleichbedeutend mit anderen in ihren Magazinen verwendet. Er war nicht das Aushängeschild, wie man das heute vielleicht machen würde. Im Archiv gibt es aber ganze Alben von Häusser, daher wird es in unserer Ausstellung auch eine Vitrine geben, die ihn als Bildautor in der Fremde vorstellt.

Bei Migration denkt man zunächst an Gastarbeiter, die nach Deutschland kamen und kommen...

Schmitt: Ja, aber mich hat der umgekehrte Weg interessiert. Es ging mir um die Expansion der BASF. Dafür arbeite ich mit den Magazinfotos, auf denen von 1968 bis 1977 Handelsvertretungen und Werke in der ganzen Welt dokumentiert wurden. Zudem habe ich selbst Gebäude aus derselben Zeit in Ludwigshafen aufgenommen.

Wie sehr hat sich die BASF in das Ludwigshafener Stadtbild eingeschrieben?

Schmitt: Sehr stark, allein durch den hohen Anteil an Gewerbesteuer. Als ich den ersten Spaziergang durch Ludwigshafen gemacht habe, sind mir sofort die zeittypischen Bauten aufgefallen, die von großem kommunalen Wohlstand zeugten. Die BASF war es auch, die die Verlegung des Hauptbahnhofs und den Bau der Hochstraßen vorangetrieben hat.

Beide stellen die Stadt inzwischen vor große städtebauliche Probleme...

Schmitt: Ich versuche, auf meinen Fotos die Gebäude so herauszuarbeiten, dass die gestalterische Absicht und der Reiz von damals wieder spürbar werden. Zugleich will ich aber auch ihren maroden Zustand nicht verschweigen.

Der Städteplaner Albert Speer hat unter anderem die Pfingstweide in Ludwigshafen gebaut. Heute sagt er selbst, dass das Projekt auf der grünen Wiese ein Fehler war. Haben sich viele Vorstellungen der 60er Jahre nicht einfach überholt?

Schmitt: Absolut. Ich fand es aber wichtig, die Pfingstweide zu dokumentieren, weil sie exemplarisch für die Aufbruchstimmung war und entstand, um den Zuwachs an Arbeitskräften aufzufangen. Heute hat man zu diesen Trabantenstädten einen grundsätzlich anderen Zugang. Aber interessant ist auch, wie mit so einem Stadtteil umgegangen wird. Ich habe zum Beispiel versucht, mit öffentlichen Verkehrsmitteln dorthin zu fahren - eine Tortur. Die Nichtanbindung an die Innenstadt ist ein Grundproblem dieser Siedlungsart.

In der Stadt Ludwigshafen wurden zuletzt viele qualitätvolle Nachkriegsbauten wie die Tortenschachtel oder das BASF-Hochhaus abgerissen. Sind Ihre Fotos auch ein Plädoyer dafür, sie zu erhalten?

Schmitt: Grundsätzlich sollte man die Nachkriegsarchitektur als Erbe ernst nehmen und allein aus den 60er Jahren gelernt haben, in denen man ganze Gründerzeit-Wohnquartiere abgerissen hat, nach denen man sich heute die Finger lecken würde. Womöglich wird man die Nachkriegsarchitektur in 20 Jahren noch einmal ganz anders bewerten. Zum anderen sollte man sich die Kontexte vor Augen führen und klar machen, warum diese Bauten damals so entstanden sind - unter anderem aus einer gewissen Fortschrittsgläubigkeit und einem Wohlstand heraus. Das heißt aber nicht, dass man alles erhalten kann oder muss.

Sie haben für verschiedene Projekte Nachkriegsbauten in Mainz, Bielefeld oder Köln fotografiert. Was ist das Besondere an Ludwigshafen?

Schmitt: Ich habe bisher noch keine Stadt gesehen, in der die Qualität der Bauten so stark war und der Zustand des städtischen Umfelds so schlecht. Einige Gebäude wie etwa der Hauptbahnhof sind fast ruinös in ihrer Anmutung. Und das alles auf sehr engem Raum konzentriert.

Arne Schmitt und die Biennale für aktuelle Fotografie

Arne Schmitt (Bild), geboren 1984 in Mayen, studierte Fotografie in Leipzig und Brüssel und lebt in Köln. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen gehört das Buch "Wenn Gesinnung Form wird" (2012), eine fotografische Essaysammlung zur bundesdeutschen Nachkriegsarchitektur. Seine Arbeiten wurden 2013 mit dem Wüstenrot-Preis prämiert.

Schmitts Fotos sind in der Gruppenausstellung "Global Players" im Lud-wigshafener Kunstverein als Teil der Biennale für aktuelle Fotografie zu sehen (bis 5. November). Darin hinterfragt Kuratorin Kerstin Meincke, wie sich Fotografie, Ökonomie und Migration zusammendenken lassen.

Eröffnet wird die Foto-Biennale am Freitag, 8. September, um 19 Uhr im Mannheimer Port25. Arne Schmitt spricht am Samstag, 9. September, von 14 bis 15.30 Uhr im Ludwigshafener Kunstverein über Erwerbsarbeit und Erinnerungsarbeit. (Bild: Biennale)

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