Umwelt - Heidelberg denkt an Kampagne für insektenfreundliche Grundstücke / Schotter- und Steinwüsten ökologisch ein Graus

Feldzug gegen graue Flächen

Von 
Michaela Roßner
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Stein-, Schotter- und Kiesflächen in Gärten mögen praktisch sein. Sie sind aber auch artenarm, heizen sich auf und verstärken die Folgen von Starkregen. © Rinderspacher

Heidelberg. Zwischen der Grundstücksmauer und dem gepflasterten Weg zur Haustür liegt schwarzer oder grauer Schotter: Immer häufiger sehen Vorgärten so aufgeräumt aus. Optisch mag es Geschmackssache sein, ökologisch sind solche zugeschütteten Flächen indes ein Graus. Klimatechnisch ebenfalls: Sie heizen sich viel stärker auf als bewachsener Erdboden. Wie in anderen Städten formiert sich in Heidelberg nun Widerstand. Auf einen Antrag der Grünen wird an einen Werbefeldzug für vegetationsreiche Gärten gedacht. Dafür sollen 10 000 Euro ausgegeben werden.

„Wir beantragen, dass die Stadtverwaltung Vorschläge unterbreitet, wie durch Satzungen eine Versiegelung von Vorgärten verhindert und durch ein Anreizsystem die Umwandlung bestehender Steingärten hin zu einer naturnahen Gestaltung vorangetrieben werden kann“, heißt es in einem Antrag der Grünen zusammen mit der Linken und den Piraten. Er ist bereits im Mai eingereicht und nun in der Dezembersitzung des Gemeinderats aufgerufen worden.

Rückgang an Tieren und Pflanzen

Die Debatte über die Problematik vegetationsfreier Vorgärten wird in vielen deutschen Kommunen geführt. In Bayern hat der Ministerrat eine aktuelle Änderung der Bauordnung auf den Weg gebracht. Sie ermöglicht Kommunen, gegen gekieste oder gepflasterte Vorgärten, die nicht als Stellplatz genutzt werden, vorzugehen. Regensburg arbeitet bereits an einer sogenannten Freiflächengestaltungssatzung – unabhängig von der Initiative des Ministerrats. Der Bremer Senat hat im Mai eine Regelung beschlossen, wonach Außenflächen zu begrünen sind, wenn sie nicht als Terrasse, Stellplatz oder Spielplatz genutzt werden. Dortmund untersagt seit 2017 in allen Bebauungsplänen Schotter, Splitt und Kies.

Fans der Steingärten führen vor allem ins Feld, dass die Kies- und Granulatflächen pflegeleichter seien als Beete und Rasen, die regelmäßig von Unkraut befreit werden. Tatsächlich verschmutzen fallende Blätter und Partikel in der Luft auf längere Sicht auch die „Gärten des Grauens“ – diesen Begriff hat der Berliner Biologe Ulf Soltau mit seiner Facebook-Seite bekannt gemacht. Und: Die mit Folien abgedeckten Böden können die Wirkung eines Starkregens verstärken.

Für solche „Schottergärten“ wird meist der Oberboden abgetragen und dann ein Vlies oder eine Folie ausgelegt, damit unerwünschte Pflanzen hier nicht wachsen können. Dann wird die Fläche mit Kies, Splitt oder Schotter unterschiedlicher Körnung aufgefüllt – und versiegelt. Naturnahe Bodenstrukturen, die Insekten, Mikroorganismen oder anderen Wildtieren als Lebensraum und Nahrung dienen können.

„Der Rückgang an Tier- und Pflanzenarten ist dramatisch. Ebenso werden hochsommerliche Temperaturen zunehmend ein Problem“, argumentiert das Heidelberger Bündnis 90/Die Grünen weiter. Eine Gestaltung mit Steinen, Splitt oder Schotter sei „weder ökologisch noch stadtgestalterisch sinnvoll“. Begrünte, vegetationsreiche Vorgärten böten hingegen vielen Insekten und Vögeln Rückzugsorte und spendeten Kühle und Feuchtigkeit. Weil die Steine Wärme speichern, erhöht sich die Temperatur in der Umgebung. Sie kühlen nachts nicht ab, filtern keine Luftschadstoffe und produzieren keinen Sauerstoff.

Wettbewerb für Neubauten?

In der Dezembersitzung des Heidelberger Gemeinderats präzisierte Frank Wetzel (Grüne): „Die Verwaltung wird gebeten, einen Entwurf für eine Satzung zur Regelung der Gestaltung von Vorgärten bei Neubauten zu entwerfen.“ Oberbürgermeister Eckart Würzner erklärte daraufhin, dass dieser Antrag nicht vorberaten sei und verwies ihn zurück in den Umweltausschuss.

Prinzipiell gebe es mehrere Möglichkeiten, auf buntere Vorgärten hinzuwirken: Paragraf 74 der baden-württembergischen Landesbauordnung legt die Grundlage für eine Vorgartensatzung oder entsprechende Vorgaben in Bebauungsplänen. Satzungen mit Vorgaben für Privatleute seien aber letztlich nur erfolgreich, wenn sie beim Bürger ankämen. Für das kommende Jahr ist laut Stadtverwaltung bereits eine Broschüre „Natur in der Stadt – Lebenswerte Gärten“ in Planung. Denkbar wäre auch ein Wettbewerb „Heidelberger Vorgärten“.

„Gärten des Grauens“

  • Gärten des Grauens“ heißt ein Buch von Ulf Soltau, das im September 2019 im Eichborn-Verlag in der zweiten Auflage erschienen ist.
  • Der studierte Biologe arbeitete unter anderem im Podocarpus-Nationalpark in Ecuador und setzt sich unter anderem mit Auswüchsen der „Gartenkultur“ auseinander.
  • Zuerst entstand seine Facebook-SeiteGärten des Grauens“. Sie ist sehr beliebt: Mehr als 54 000 Menschen folgen ihm dort.
  • Mit Wortwitz und spitzer Kritik dokumentiert er dort erschreckende Gartentrends, die ihm längst auch andere Umweltfreunde zuschicken.
  • Laut einem Interview bekommt er pro Woche bis zu 1000 Bilder zugesandt.
  • Einmal im Monat kürt er den grässlichsten Garten und vergibt virtuell den „Terror-Gardening-Award“.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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