Das Porträt - Harald Jers hat die Professur für Chorleitung an der Musikhochschule Mannheim übernommen

Geglückte Quadratur des Chores

Von 
Caroline Blarr
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Will seine Erfahrungswerte weitergeben und aus Studenten gute Dirigenten machen: Mannheims neuer Chorprofessor Harald Jers.

© Manfred Rinderspacher

Mannheim ist City of Music - seit beinahe 270 Jahren. Denn für Harald Jers, der seit diesem Semester die Professur für Chorleitung an der Musikhochschule übernommen hat, beginnt die Geschichte der Musikstadt mit der Mannheimer Schule. Am Hof des 1743 bis 1778 residierenden Kurfürsten Karl Philipp Theodor von der Pfalz, prägte eine Gruppe von Musikern um Johann Stamitz einen neuen Orchesterstil und wurde damit zum Wegbereiter der Vor- und der Wiener Klassik.

"Wir stehen da in einer großen Tradition, die verpflichtet. Aber gleichzeitig müssen wir uns öffnen, neue Perspektiven zulassen, dürfen nicht bei der historischen Musikwissenschaft stehen bleiben." Was Jers da sagt, ist keine Plattitüde, sondern ein Teil seiner Biografie. Eigentlich schien sein Weg vorgezeichnet. Bereits mit 15 Jahren dirigierte er eine Ensembleformation, mit 18 das erste Orchester. Alle erwarten, dass er Musik studiert. Aber nach dem Abitur entscheidet er sich für Physik und Mathematik, seine zweite große Leidenschaft. Doch so richtig befriedigt ihn das nicht. Er beendet das Studium trotzdem, weil er "jemand ist, der die Dinge zu Ende bringt."

Mit 28 Jahren geht er ein zweites Mal an die Uni. Dieses Mal folgt er der Berufung - und entdeckt ein bislang wenig beachtetes Forschungsfeld für sich: die Systematische Musikwissenschaft. Hier, an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft, Emotion und Rationalität, findet er, was er gesucht hat: eine Möglichkeit, um mit empirisch-experimentellen Methoden der Frage nachzugehen, wie physikalische Vorgänge zu Gegenständen der Wahrnehmung werden.

Der perfekte Chor

2004 erhält er einen Forschungsauftrag der EU an der Königlich Technischen Hochschule Stockholm, um im Bereich musikalischer Akustik zu forschen. "Ein Chor ist viel mehr als die Summe seiner Einzelstimmen." Ein Laien- und ein Profichor unterscheiden sich nicht einfach in der Qualität der Sänger. "Das Abstrahlverhalten eines Chores beeinflusst den Höreindruck zum Beispiel sehr stark und ist abhängig von der Aufstellung der Chorsänger auf der Bühne, der Körpergestalt der Sänger und den Signalarten." Der perfekte Chor, er gleicht ein wenig der Quadratur des Kreises.

Im Kammermusiksaal, dem Herzstück der Hochschule, entsprechen Beleuchtung und Akustik allen Standards. Trotzdem wirkt Harald Jers, wie er da in Jeans und Sakko vor dem Notenständer steht, nicht wie jemand, der sich schnell zufriedengibt. Eher wie einer, der zupackt, verändern will. "Was uns hier fehlt, ist ein richtiger Konzertsaal. Im Moment gehen wir in Kirchen oder mieten Räume für unsere Auftritte."

In der Lehre will er Erfahrungswerte weitergeben, mit Akribie und Hingabe daran arbeiten, dass aus Studenten gute Dirigenten werden. Und der 42-Jährige hat noch mehr Pläne. Ein qualifiziertes Zentrum für Dirigieren will er in Mannheim aufbauen. "Damit hätte die Hochschule bundes-, sogar weltweit ein Alleinstellungsmerkmal", wirbt er.

Denn gerade angekommen, wird Jers überrascht. Von den Sparplänen, aber auch von der Welle der Solidarität in der Bevölkerung und der Eigendynamik, die Dozenten und Studierende zusammenwachsen lässt. Jers fühlt sich verstanden. "Kulturförderung ist Gesellschaftsförderung. In diesem Bereich zu sparen, ist auch aus ökonomischen Gesichtspunkten nicht nachhaltig!" Der im Rheinland Aufgewachsene brauchte ein wenig Zeit, um in Mannheim richtig anzukommen, und erinnert sich amüsiert an den ersten Kulturschock: "Mein Vorstellungsgespräch war ausgerechnet am Karnevalssonntag. Das hätte es in Köln niemals gegeben".

Doch immerhin der Rhein erinnert ihn an die alte Heimat. "Ich bin hier immer noch auf Entdeckungstour." Nächster Halt ist am Donnerstag, 18. Dezember, die Citykirche Konkordien. Dort findet sein Antrittskonzert statt - mit zwei Jubilaren: Carl Philipp Emanuel Bach und Gottfried August Homilius.

Harald Jers

Harald Jers studierte Chor- und Orchesterdirigieren, Schulmusik mit dem Hauptfach Gesang, Kirchenmusik, Physik und Mathematik in Aachen, Köln, Stockholm und Düsseldorf.

Seit dem Wintersemester ist er, als Nachfolger von Prof. Georg Grün, ordentlicher Professor für Chorleitung an der Musikhochschule Mannheim. Die Professur hatte er seit einem Jahr vertretungsweise inne.

Ein besonderes Markenzeichen stellt sein Schwerpunkt in musikalischer Akustik dar.

Mit dem Konzert am 18. Dezember, 19.30 Uhr, in der Citykirche Konkordien (R 2) stellt er sich dem Mannheimer Publikum vor. cab

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