Klassik - Helmut Lachenmann bei der Gesellschaft für Neue Musik

Fahrradhupe versagt, Wäschekorb verschwindet

Von 
Monika Lanzendörfer
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© Berno Nix

Der Konzertsaal sollte ein "Raum für Abenteuer" sein. Und das Publikum sollte ihn möglichst mit der Erwartung betreten, es gehe zum Bungee-Springen. So wünscht sich Helmut Lachenmann das Umfeld für seine Kompositionen. Er selbst fühlt sich zum "Nachdenken über Musik" berufen. Seit rund 60 Jahren schreibt er Musikgeschichte, indem er alles, was der Musik nahekommt, ausklammert. Als Gast der Gesellschaft für Neue Musik erläutert er sein Schelmenstück "Got lost" (Verloren gegangen) in den Reiss-Engelhorn-Museen.

Verluste mancher Art

Der Bungee-Nervenkitzel bleibt zwar aus, dafür aber lockert der Komponist die Stimmung mit jener Karl-Valentin-Szene auf, die sich um eine defekte Fahrradhupe dreht, eine Hupe, die nur "pftpft" macht. Lachenmanns 30-minütige Geräusch-Erzeugung "Got lost" demoliert drei Texte, die er wild durcheinander würfelt. Das Thema heißt Verlust: Ein Wäschekorb verschwindet; eine Liebe endet in Lächerlichkeit; ein Wanderer weicht vom Weg ab und steht vor dem Abgrund.

Diese Inhalte erfährt nur, wer das Libretto liest. Wer die Wortfetzen hört, bleibt an den Maschen des Unsinns kleben. Zwei Interpretinnen stolzieren feierlich über Tiefgang und Albernheit hinweg. Yuko Kakuta reduziert die Pracht ihres Soprans auf kindliche Zisch-, Gurr- und Hechel-Laute. Die Pianistin Yukiko Sugawara bringt auf dem präparierten Flügel blecherne, ratternde, schleifende, dumpfe Effekte hervor. Angesichts ihres Zusammenwirkens stellt sich die Frage, was die beiden Solistinnen da treiben, wenn sie auf Gleichklang und Rhythmus achten. Musizieren sie etwa doch miteinander?

Die Auftritte des Schlagzeugers Christian Dierstein lassen dagegen keinerlei Zweifel an Musikalität und musikalischem Wert aufkommen. Er setzt Pierreluigi Billones Marimbaphon-Show "Mani.Matta" wie ein filigraner Tänzer in Szene. Und gemeinsam mit Yukiko Sugawara fertigt er im Zeitlupentempo ein sanftes Ruhekissen aus Klaus Langs Duo für Schlagzeug und Klavier; dessen Titel kann jeder deuten, wie er will: "der weißbärtige mann. der frosch am mond".

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