Mannheim. Gibt es bei der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) Neonazis unter den Mitarbeitern? In dem Betrieb sollen im Zeitraum von April 2015 bis Februar 2016 „in allen Schichten“ Angestellte im alltäglichen Umgang den Hitlergruß gezeigt und rassistische Äußerungen gemacht haben – dies wirft ein entlassener Mitarbeiter jetzt der RNV vor, wie seine Rechtsanwältin Miriam Weis gegenüber dem „MM“ bestätigte. Es lägen „mehrere Stunden“ belastendes Videomaterial vor, das der Mann heimlich bei der Arbeit aufgenommen habe.
Vorwürfe bestanden bereits 2016
Bei einer Pressekonferenz am Freitagmittag erklärte der Technische Leiter der RNV, Martin in der Beek, dass der 2016 entlassene Mitarbeiter die Geschäftsführung bereits im Mai des vergangenen Jahres über die Neonazi-Vorwürfe informiert habe. Er habe den RNV-Verantwortlichen daraufhin winzige Ausschnitte über sein Handy vorgespielt. Der Bitte, sämtliches Material auf einen USB-Stick zu überspielen, um vollständige Ermittlungen möglich zu machen, sei der ehemalige Mitarbeiter jedoch nie nachgekommen, so in der Beek.
Der Technische Leiter stellte bei der Pressekonferenz zudem klar, dass der Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Gesprächs bereits wegen mehrfachem schwerwiegendem Fehlverhalten entlassen gewesen sei. So habe er unter anderem im Juli 2009 den österreichischen Paralympics-Schwimmer Thomas Seidling aus einer Straßenbahn verwiesen, weil er aufgrund seiner Blindheit den Fahrkartenautomat nicht hatte finden können. Auch weiteres Fehlverhalten hatte es nach Angaben der RNV gegeben.
Wollte der Mitarbeiter seinen Job zurück?
Es sei davon auszugehen, so in der Beek, dass der Mitarbeiter das belastende Videomaterial auch zurückhielt, um es als Mittel für eine mögliche Wiedereinstellung in der Hinterhand zu behalten. Dies sei schon deswegen wahrscheinlich, weil es nach dem persönlichen Gespräch noch mehrere Briefe von Geschäftsführung und Vorstand gegeben habe, nach denen der Mann Videos und Bilder nicht übergeben hatte.
Zu den Neonazi-Vorwürfen selbst bezog die RNV zunächst noch keine Stellung. Hier wolle man die laufenden Ermittlungen abwarten. "Wir werden das lückenlos aufklären", kündigte in der Beek an.
Vorfälle zu weiterem Fehlverhalten werden geprüft
Auch zu anders geartetem Fehlverhalten hatte der ehemalige Mitarbeiter Vorwürfe erhoben. Wie Staatsanwältin Sandra Utt auf „MM“-Anfrage mitteilte, hatte der Mann bereits Anfang April bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen ehemalige RNV-Kollegen wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr erstattet. Utt: „Durch willkürliche Signalgebung sollen außerplanmäßige Bremsungen herbeigeführt worden sein.“ In diesem Zusammenhang seien illegal aufgenommene Videos des Mannes auf einer CD und auf Youtube sichergestellt worden. Die RNV hätten daraufhin ihrerseits Anzeige gegen den ehemaligen Mitarbeiter erstattet und erreicht, dass das Material, das einen Verrat von Betriebsgeheimnissen darstelle und die Persönlichkeitsrechte von Fahrgästen verletze, aus dem Netzwerk gelöscht wird.
Ein weiterer Vorwurf, nachdem Kollegen des Ex-Mitarbeiters einen weiblichen Fahrgast sexuell missbraucht hätten, hätte sich, so RNV, schon 2012 als "unwahr" herausgestellt. Dieser Vorfall sei zudem schon aufgearbeitet worden, weshalb man sich über die erneuten Anschuldigungen des ehemaligen Mitarbeiters sehr wundere.
Genaue Hintergründe noch unklar
Dass ihr Mandant entlassen worden sei, weil er mit dem rechtsradikalen Gebaren seiner Kollegen nicht einverstanden war – „das könnte man so interpretieren“, meint Anwältin Weis auf Nachfrage. Der offizielle Entlassungsgrund sei indes das illegale Filmen gewesen, so Weis. Unter anderem sollen seine Kollegen Schwarze als „Nigger“ und Muslime als „Volksschädlinge“ und „Abschaum“ bezeichnet haben.
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